In meiner Lieblingsserie MADDRAX ist Autor Ian Rolf Hill bekannt für seine rasant erzählten und effektgeladenen Abenteuer rund um Matthew Drax und seine Gefährtin Haaley. Nach den vorangegangenen actionreichen Bänden, in denen es ordentlich zur Sache ging und die Helden von einem Schlamassel in den nächsten stolperten, ist Das Lazarus-Phänomen auf den ersten Blick eine willkommene Abwechslung.
Weniger wilde Verfolgungsjagden, Explosionen und Verwicklungen, dafür mehr Fokus auf die Charaktere und ihre Hintergrundgeschichten – so scheint es zumindest. Doch ob dieser vermeintlich ruhigere Ansatz speziell diesem Roman wirklich gut tut?
In seinem neuesten Werk bleibt Hill seinem rasanten, oberflächlichen Stil treu, den langjährige Fans mittlerweile nur allzu gut kennen. Die Action weicht zwar stellenweise den Rückblenden, doch am Ende überwiegt wieder die altbekannte Effekthascherei.
Diese Idee mit den Körperwechseln mag auf den ersten Blick spannend klingen, doch auf Dauer wird das ständige Sterben und Wiederauferstehen eher ermüdend. Zudem kommt kaum Spannung auf, da den Helden durch ihren Lazarus-Status jegliches Risiko genommen wird.
Weitaus interessanter sind da schon die Rückblenden auf Haaleys Kindheit bzw. Jugend. Hier gewährt Hill einige aufschlussreiche Einblicke in ihre tragische Vergangenheit. Doch gerade wenn es spannend wird, reißt er den Leser wieder in die Gegenwart, wo es in gewohnter Manier drunter und drüber geht.
Wie schon in den Vorgängerbänden bleibt Ian Rolf Hill auch in „Das Lazarus-Phänomen“ seinem typischen Stil treu: Die Handlung rast in atemberaubender Geschwindigkeit voran, ohne groß innezuhalten. Innerhalb weniger Seiten werden die Leser von einer Actionsequenz in die nächste katapultiert.
Dabei geht Hills Fokus ganz klar auf unterhaltsame Effekte, während Tiefgang und Charakterzeichnung. Selbst in den Rückblenden erfahren wir nur Oberflächliches über Haaleys Vergangenheit. Statt psychologischer Feinzeichnung gibt es dramatische Effekthascherei.
Der schnelle Wechsel der Körper wird mehr für Actioneinlagen genutzt als für tiefgründige Gedankenexperimente. Die Möglichkeiten, die in dieser interessanten Prämisse stecken, werden kaum ausgeschöpft.
„Das Lazarus-Phänomen“ bietet solide und kurzweilige Unterhaltung. Die actiongeladenen Szenen sind temporeich und effektvoll geschrieben. Auch die Idee mit dem ständigen Sterben und Wiederauferstehen in wechselnden Körpern ist natürlich interessant.
Allerdings hat man alles bereits in ähnlicher Form im Vorgängerband gelesen. Hill bleibt seinem eingefahrenen Stil treu, ohne wirklich Neues zu wagen. Die Rückblenden auf Haaleys Vergangenheit sind spannend, bleiben aber oberflächlich. Kein Vergleich zu Band 597. Und da macht auch die Namensgebung in den Rückblicken nichts mehr gut. Die BOTTANI’BAI dürfte Trekkies wohl sofort aufgefallen sein, ebenfalls wie ihr Befehlshaber Kha’nunien Ssungg. Nogord dagegen dürfte aus Tolkiens Welt geboren sein. Eigentlich finde ich solche Namenverballhornungen bei MADDRAX ja immer klasse, aber in einer Geschichte mit Piraten will es für mich einfach nicht passen. Vielleicht hätte es mich weniger gestört, hätte sich der Autor bei Namen aus Fluch der Karibik bedient.
Insgesamt ist „Das Lazarus-Phänomen“ ein durchschnittlicher Maddrax-Band, der Fans der Reihe gefallen dürfte, aber keine neuen Maßstäbe setzt. Wer mehr Tiefgang und ausgefeiltere Charaktere erhofft, wird etwas enttäuscht. Ich vergebe 3 von 5 Kometen im Maddraxikon.
Nach so viel Action freue ich mich jetzt auf den Doppelband zu Dak’kars Hintergrundgeschichte. Aktuell erscheinen mir in meiner Lieblingsserie wieder etwas zu viele Hill-Romane. Es ist nicht so, dass ich seine Romane nicht mag, aber immerhin waren 610, 612, 613 und nun 615 von ihm. Und was ich an MADDRAX eigentlich immer mochte, gerade im Vergleich zu anderen Serien, ist halt einfach die Abwechslung, die geboten wird. Durch unterschiedliche Gewichtung von verschiedenen Genres, aber auch durch die unterschiedlichen Schreibstile der diversen Autoren.
Und ich bin natürlich schon sehr gespannt darauf, was sich Michael Edelbrock zu Dak’kar hat einfallen lassen… 😉
Und nun noch ein Aufruf in eigener Sache: Nicht jeder schreibt gerne Rezis und nicht jeder möchte seine Meinung hier in den Kommentaren äußern. Bitte legt euch aber wenigstens einen Account im Maddraxikon an und bewertet die Romane dort. Das hilft nicht nur bei der Verleihung der nächsten Goldenen Taratze, sondern wird demnächst auch in einem eigenen kleinen Dashboard ausgewertet. Die Arbeiten daran laufen bereits…
Beecker
08/21/2023 — 20:51
Hallo Holger,
wieder sehr interessant unsere unterschiedlichen Ansichten, ich fand das der Roman sehr viel tiefe hatte. Jetzt nicht an jeder stelle, aber gerade bei den Rückblicken auf Haaley.
Die Wechsel waren bei der 614 nicht wirklich das Problem, es ging vielmehr darum, wie verständigen sie sich, gewöhnen sich an ihre neuen Körper, wie sie sich bewegen und gegenseitig sehen. Es waren viele Belanglosigkeiten aufgeführt. Die selbe Gattung kann sich nun mal verständigen, ohne frage. Deswegen hätte ich es reizvoller gefunden 2 unterschiedliche Tiere zu nehmen.
Hier waren es ja „nur“ 3 Wechsel, die aber recht nachvollziehbar waren. Vom sterbenden, in die Mähnenwölfe in Aants und zu guter letzt in ihre Körper zurück (oder habe ich da was ausgelassen?)
Die Bezüge auf Star Trek oder zu irgend einer anderen Serie/Reihe habe ich in keinster weise wahr genommen. Deswegen konnte ich dort hingehend frei bewerten. Die Vorfreude auf die 616/617 und das leben von Dak´kar sind schon sehr Reizvoll.
Was die Flut von Romanen von Hill angeht (mich stört es nicht, ganz im Gegenteil) könnte man ja mal Mad Mike fragen, vielleicht ist er der Kopf der Sache, oder die anderen Autoren haben keine Zeit …. wer weiß. Aber das kann man ja in Erfahrung bringen.
McNamara
08/22/2023 — 7:32
Vielen Dank für den Einblick in deine Perspektive!
Ich erhebe ja (zum Glück) nicht den Anspruch darauf, dass meine Meinung mustergültig ist für die anderer Fans. Also wenn du die Körperwechselstory nicht schon in der 614auserzählt fandest, dann freut mich das sogar. Ich fand den Roman ja jetzt auch nicht total schlecht. 3 von 5 Kometen ist in meiner Wahrnehmung mindestens ein „gut“. Und wenn du auf die Schreibe von IRH stehst, und weniger auf abwechslungsreiche Schreibstile durch mehrere Autoren, dann sei dir das natürlich auch gegönnt! 🙂
Daniel
09/27/2023 — 14:19
Diesen Roman fand ich richtig klasse. Nicht nur, weil dort mein letzter Leserbrief veröffentlicht worden ist, sondern auch weil er sich vom Brutalitätslevel her wieder wie das alte MX angefühlt hat. Von mir aus könnte das auf genau diesem Level bleiben, aber Mike hat schon auf der LKS verkündet, dass das eine Ausnahme war. Mir hat auch gefallen, dass Haaley und Matt mit einer riesigen, fleischfressenden Pflanze konfrontiert waren. Das gab es auch schon sehr lange nicht mehr in MX.
Auch wenn ich Haaley immer noch nicht mag, habe ich nun fast Mitleid mit ihr. Sie hat wirklich schreckliche Dinge durchgemacht, und ist dadurch wahnsinnig geworden. Das was Haaley erlebt hat, erinnert mich ein wenig an Band 28. Auch da geht es um Kinder von den 13 Inseln, die älteste von ihnen, ein 14-jähriges Mädchen, wird ebenfalls von den Nordmännern die sie gefangen haben, missbraucht. Und genau wie Haaley überlisten die Kinder die Nordmänner und töten fast alle von ihnen, nachdem sie sich befreien konnten. Da hat Ian Rolf Hill wohl diesen Band gelesen, und beschlossen, dass die Handlung gut genug ist, um recycelt zu werden.^^
Den Lazarus-Status haben Haaley und Matt doch auch so. Matt, weil er der Hauptcharakter ist, und es die Serie ohne ihn nicht gäbe. Und Haaley, weil sie aus einem mir unerfindlichen Grund so beliebt bei den Fans ist, dass Mike sie in absehbarer Zeit wohl nicht abschießen lassen wird. Und ganz ehrlich, mir gefällt es, wenn sich der Roman um die Handlung dreht, und der Tiefgang bei den Charakteren nicht so sehr im Fokus steht.
Aber mal ein Kritikpunkt von mir. Habt ihr nicht auch den Eindruck, dass Haaley ein bisschen zu mächtig ist? Schon als junge Frau hat sie mühelos Männer besiegt, die größer und schwerer als sie waren. Sie konnte den bewusstlosen Smythe mühelos tragen. Sie hat Gegner besiegt, gegen die es Aruula und Xij schwer gehabt hätten. Aber in diesem Band hat sie als 14-jährige ein ganzes Piratenschiff abgefackelt. Klar, die Piraten haben bekommen, was sie verdient haben, aber Haaley ist letztlich ein gewöhnlicher Mensch, und keine übermenschliche starke Taratze/Daa’murin/Androidin. Ich bin einer der letzten, die etwas gegen Action-Girls haben, aber da Sciencefiction im Gegensatz zur Fantasy ein klein wenig Realismus aufrechterhält, habe ich einfach den Eindruck, dass Haaley für eine junge Frau einfach viel zu stark ist.
Trotz allem, fünf von fünf abgefackelten Piratenschiffen.