Die dunkle Zukunft des Maddraxikons

MX 615 – Auferstehung oder literarische Totgeburt?

Cover von MX 615
© Bastei Lübbe AG

In meiner Lieblingsserie MADDRAX ist Autor Ian Rolf Hill bekannt für seine rasant erzählten und effektgeladenen Abenteuer rund um Matthew Drax und seine Gefährtin Haaley. Nach den vorangegangenen actionreichen Bänden, in denen es ordentlich zur Sache ging und die Helden von einem Schlamassel in den nächsten stolperten, ist Das Lazarus-Phänomen auf den ersten Blick eine willkommene Abwechslung.

Weniger wilde Verfolgungsjagden, Explosionen und Verwicklungen, dafür mehr Fokus auf die Charaktere und ihre Hintergrundgeschichten – so scheint es zumindest. Doch ob dieser vermeintlich ruhigere Ansatz speziell diesem Roman wirklich gut tut?

In seinem neuesten Werk bleibt Hill seinem rasanten, oberflächlichen Stil treu, den langjährige Fans mittlerweile nur allzu gut kennen. Die Action weicht zwar stellenweise den Rückblenden, doch am Ende überwiegt wieder die altbekannte Effekthascherei.

Diese Idee mit den Körperwechseln mag auf den ersten Blick spannend klingen, doch auf Dauer wird das ständige Sterben und Wiederauferstehen eher ermüdend. Zudem kommt kaum Spannung auf, da den Helden durch ihren Lazarus-Status jegliches Risiko genommen wird.

Kha’nunien Ssungg kurz vor seinem Tod
CC BY 4.0 OMXFC

Weitaus interessanter sind da schon die Rückblenden auf Haaleys Kindheit bzw. Jugend. Hier gewährt Hill einige aufschlussreiche Einblicke in ihre tragische Vergangenheit. Doch gerade wenn es spannend wird, reißt er den Leser wieder in die Gegenwart, wo es in gewohnter Manier drunter und drüber geht.

Wie schon in den Vorgängerbänden bleibt Ian Rolf Hill auch in “Das Lazarus-Phänomen” seinem typischen Stil treu: Die Handlung rast in atemberaubender Geschwindigkeit voran, ohne groß innezuhalten. Innerhalb weniger Seiten werden die Leser von einer Actionsequenz in die nächste katapultiert.

Dabei geht Hills Fokus ganz klar auf unterhaltsame Effekte, während Tiefgang und Charakterzeichnung. Selbst in den Rückblenden erfahren wir nur Oberflächliches über Haaleys Vergangenheit. Statt psychologischer Feinzeichnung gibt es dramatische Effekthascherei.

Der schnelle Wechsel der Körper wird mehr für Actioneinlagen genutzt als für tiefgründige Gedankenexperimente. Die Möglichkeiten, die in dieser interessanten Prämisse stecken, werden kaum ausgeschöpft.

“Das Lazarus-Phänomen” bietet solide und kurzweilige Unterhaltung. Die actiongeladenen Szenen sind temporeich und effektvoll geschrieben. Auch die Idee mit dem ständigen Sterben und Wiederauferstehen in wechselnden Körpern ist natürlich interessant.

Die BOTTANI’BAI vor der Küste der Dreizehn Inseln
CC BY 4.0 OMXFC

Allerdings hat man alles bereits in ähnlicher Form im Vorgängerband gelesen. Hill bleibt seinem eingefahrenen Stil treu, ohne wirklich Neues zu wagen. Die Rückblenden auf Haaleys Vergangenheit sind spannend, bleiben aber oberflächlich. Kein Vergleich zu Band 597. Und da macht auch die Namensgebung in den Rückblicken nichts mehr gut. Die BOTTANI’BAI dürfte Trekkies wohl sofort aufgefallen sein, ebenfalls wie ihr Befehlshaber Kha’nunien Ssungg. Nogord dagegen dürfte aus Tolkiens Welt geboren sein. Eigentlich finde ich solche Namenverballhornungen bei MADDRAX ja immer klasse, aber in einer Geschichte mit Piraten will es für mich einfach nicht passen. Vielleicht hätte es mich weniger gestört, hätte sich der Autor bei Namen aus Fluch der Karibik bedient.

Insgesamt ist “Das Lazarus-Phänomen” ein durchschnittlicher Maddrax-Band, der Fans der Reihe gefallen dürfte, aber keine neuen Maßstäbe setzt. Wer mehr Tiefgang und ausgefeiltere Charaktere erhofft, wird etwas enttäuscht. Ich vergebe 3 von 5 Kometen im Maddraxikon.

Nach so viel Action freue ich mich jetzt auf den Doppelband zu Dak’kars Hintergrundgeschichte. Aktuell erscheinen mir in meiner Lieblingsserie wieder etwas zu viele Hill-Romane. Es ist nicht so, dass ich seine Romane nicht mag, aber immerhin waren 610, 612, 613 und nun 615 von ihm. Und was ich an MADDRAX eigentlich immer mochte, gerade im Vergleich zu anderen Serien, ist halt einfach die Abwechslung, die geboten wird. Durch unterschiedliche Gewichtung von verschiedenen Genres, aber auch durch die unterschiedlichen Schreibstile der diversen Autoren.

Und ich bin natürlich schon sehr gespannt darauf, was sich Michael Edelbrock zu Dak’kar hat einfallen lassen… 😉

Und nun noch ein Aufruf in eigener Sache: Nicht jeder schreibt gerne Rezis und nicht jeder möchte seine Meinung hier in den Kommentaren äußern. Bitte legt euch aber wenigstens einen Account im Maddraxikon an und bewertet die Romane dort. Das hilft nicht nur bei der Verleihung der nächsten Goldenen Taratze, sondern wird demnächst auch in einem eigenen kleinen Dashboard ausgewertet. Die Arbeiten daran laufen bereits…

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